Iran, eine Kultur des Schweigens

Summerless
Foto: Amir Hossein Shojaei

Am Donnerstag, den 6. Februar 2020, hatte ich das außerordentliche Glück, einer Aufführung des Theaterstücks ,,SUMMERLESS“ von Amir Reza Koohestani im Carreau in Forbach beizuwohnen. Das Stück wurde im Rahmen einer Tour über 50 mal in Deutschland und Frankreich aufgeführt, allerdings immer in der persischen Originalsprache mit digitalen Übertiteln.

Für all jene, die der persischen Sprache nicht mächtig sind, muss das Stück wohl leider sehr inhaltsarm gewirkt haben, denn wie für die iranische Kultur üblich, liegt die wahre Aussage in den Betonungen und dem, was unausgesprochen blieb.

Tabu-Kultur im Iran

Auch ohne den nicht zu leugnenden Einfluss der theokratischen Regierung ist die persische Kultur von vielen Tabu-Themen durchzogen, die in der Öffentlichkeit streng vermieden werden. Egal ob Sexualität, Drogenkonsum, Scheidung oder Untreue, wenn es nach dem Kopf einiger Iraner geht, existieren diese Dinge nicht und sind demnach auch kein Diskussionsthema. Statt Probleme im Zusammenhang mit Drogenkonsum, Militarismus oder sexuellem Missbrauch anzusprechen, werden diese einfach ignoriert und unter den omnipräsenten Teppich geschoben, da es zu unhöflich oder unschön wäre, darüber zu reden.

Summerless

Das an sich sehr einfache Stück behandelt die Ereignisse auf einem Teheraner Schulhof über die Zeitspanne von neun Monaten, wobei dies nie die Sommermonate sind. Den Kernkonflikt bildet ein neues Wandgemälde, das ein Märtyrerzitat aus der Iranischen Revolution ersetzen soll. Die alte Kriegspropaganda soll mit etwas Schönem, Buntem überdeckt werden, was dem Maler allerdings nur teilweise gelingt. Unter der viel zu dünnen Farbschicht ist der militaristische Spruch die ganze Zeit noch klar lesbar, und als später auch das progressive Kunstwerk übermalt werden soll, ist auch dieses noch klar unter der Farbe zu erkennen.

Auch in den Dialogen ist diese Schweigekultur stehts bemerkbar. Wie so oft im Persischen werden die Fragen der Protagonisten so gut wie nie beantwortet, stattdessen werden stets nur Gegenfragen und Ausflüchte formuliert. Die Beziehungen zwischen den drei Personen werden durch die subtilen Aussagen und Implikationen nur mühsam deutlich. Die scheiternde Ehe zweier Charaktere, die strengen Geschlechterrollen und der Wunsch nach künstlerischer Freiheit durchdringen das komplette Werk und werden doch nie benannt.

An dieser Stelle muss ich ein ausdrückliches Lob an die Schauspieler*innen aussprechen, die nicht nur großartig gespielt haben, sondern auch außerordentlich freundlich und zuvorkommend waren. Mona Ahmadi, Saeid Changizian und Leyli Rashidi haben eine absolut hervorragende Leistung erbracht.

Durch den kreativem Umgang mit den Möglichkeiten, die sich durch den Bildschirm auf der Bühne bieten, konnte Koohestani den zeitlichen Fortschritt glaubhaft darstellen und eine immersive Atmosphäre erstellen.

Kritik der persischen Kultur des Schweigens

Summerless ist als Produkt der iranischen Zensur-Gesellschaft in seiner Wortwahl und Ausdrucksweise stark eingeschränkt. Allerdings gelingt es dem Stück, diese Begrenzung zu nutzen um eine zutreffende Kritik der persischen Schweigens-Kultur zu formulieren. Die poetische Natur der Sprache und die zwar alltägliche aber auch ausdrucksstarke Sprechweise der Schauspieler trägt nur dazu bei, diese Botschaft zu verdeutlichen und ein hervorragendes Gesamtkunstwerk zu formen.

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