“Schlüsselübergabe statt Abschiedsfeier”: Kündigung der Reinigungskräfte am DFG
Saubere Klassenräume, geleerte Mülleimer und gefegte Gänge. All dies findet man vor, wenn man morgens die Schule betritt – eine Selbstverständlichkeit für uns. Seit mehreren Jahrzehnten setzt sich das gleiche Reinigungsteam für die Sauberkeit unserer Schule ein – gerade auch in Zeiten der Corona-Krise mit zusätzlichen Hygienemaßnahmen. Doch bald soll diese Ära zu Ende gehen: Den Reinigungskräften wurde gekündigt.
“Der Tag X, an dem wir unsere Schlüssel abgeben werden, wird uns das Herz zerreißen”.
Das Team um Laurence Bernd, die Teamleiterin, wird nicht weitermachen: “Wir bereiten uns mental auf diesen Abschied vor. Aber der Tag X, an dem wir unsere Schlüssel abgeben werden, wird uns das Herz zerreißen.”
Am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien, dem 17. Dezember 2021, sollen sie das letzte Mal unsere Schule reinigen. “Das wird unser letzter Tag sein”, so eine Reinigungskraft.
“Ich kenne diese Schule, als wäre sie mein Zuhause”
“Ich kenne diese Schule, als wäre sie mein Zuhause. Ich verbringe hier fast mehr Zeit als zu Hause”, betont eine Mitarbeiterin, die sich ganz eng mit der Schulgemeinschaft verbunden fühlt. Ein Lehrer meint: “Diese ganze Gruppe gehört für mich zur DFG-Familie unbedingt dazu. Es sind französische Arbeitnehmerinnen, was ich für unsere Schule sehr begrüßenswert finde, da wir hier ja in grenzüberschreitenden Teams arbeiten”.
Ein weiteres Schulmitglied kommentiert: “Ich habe mit absolutem Unverständnis auf die Kündigung reagiert, weil ich nicht verstehen kann, warum man jemanden rauswirft, der super gute Arbeit leistet. Man greift ja hier nicht nur in die Firma ein, sondern es stehen ja Einzelschicksale dahinter”.
Nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Lehrerschaft ist schockiert. Ein Vertreter zu Camäléon: “Ich sehe gar keinen Grund, warum das Reinigungspersonal den Job jetzt plötzlich verlieren soll. Ich kam mit ihnen ins Gespräch und dabei haben sie mir gesagt, dass sie nach dem ersten Januar quasi arbeitslos sein werden”.
An dieser Arbeit hängen aufgrund der Tatsache dass “die Reinigungskräfte bei uns in der Schule in Vollzeit arbeiten Existenzen. Wenn das nicht mehr der Fall ist, können sie davon nicht mehr leben”, so der Vertreter weiter.” Eine unglaubliche Kette an persönlichen Schicksalen ist mit dieser Entlassung verbunden.”
Doch weshalb wurde Ihnen überhaupt gekündigt, und eine neue Firma beauftragt?
Auf Anfrage der Camäléon-Redaktion teilte der Pressesprecher des Regionalverbandes Saarbrücken, Lars Weber, mit, dass dies durch eine gesetzlich geregelte Maßnahme bedingt sei:
Laut der seit 2016 geltenden Ausschreibungsregelung nach EU-Recht gelte die Pflicht, alle vier Jahre eine öffentliche europaweite Ausschreibung durchzuführen. Doch weshalb ist dann die selbe Reinigungsfirma seit über 20 Jahren an unserer Schule tätig? An unserer Schule handle es sich um einen “sehr alten Vertrag, von Anfang der 90er Jahre.” Ein solcher “unbefristeter Vertrag” sei heute rechtlich nicht mehr zulässig, weil damit das Ausschreibungsrecht gebrochen würde.
Eine Lehrkraft fordert: “Ich möchte, dass offengelegt wird, warum die bisherige Firma diesen Zuschlag nicht bekommen hat!”
Die neue Firma (Name ist der Redaktion bekannt), die die Ausschreibung gewonnen hat und somit ab dem neuen Jahr die Schule reinigen soll, kommt aus Mannheim. Ab dem neuen Jahr werden fast drei Viertel der Schulen im Regionalverband von jenem Unternehmen gereinigt werden.
Doch stellt der Regionalverband sicher, dass die Reinigungskräfte fair behandelt, und die vereinbarten Leistungen im Bezug auf die Sauberkeit der Einrichtungen erbracht werden? Der Regionalverband verlässt sich darauf, dass die vereinbarten Leistungen erbracht werden: “Die Kontrolle findet auf Hinweise statt”, so der Pressesprecher.
Ob es am DFG je wieder so sauber sein wird, wie zur Zeit der alten Firma? Ein Mitglied der Schulgemeinschaft bezweifelt das: “Ich gehe davon aus, dass die Schule ‒ wie auch andere Schulen schon ‒ später in einem eher jämmerlichen Zustand sein wird.”
Auch DFG-Schulleiter Stefan Hauter äußert Zweifel: “Das Risiko ist sehr groß, dass wir den Nachteil haben, wenn ein neues Team kommt. Das ist dann vielleicht ein bisschen billiger für den Regionalverband, aber für uns vielleicht ein großes Problem, weil einfach insgesamt diese große Schule etwas schmutziger wird.”
Auch weitere DFG-Bedienstete vermuten, dass die neue Firma die Reinigungszeiten an der Schule reduziere, damit so der Preis günstiger sei: “Das wird nun auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen”. Der Regionalverband verneint dies. Der Preis sei kein alleiniges Kriterium für die Vergabe von Aufträgen. Das Angebot der Firma sei nicht das günstigste. Vielmehr käme es auf die Wirtschaftlichkeit an.
Das neue Unternehmen hatte den bisherigen Reinigungskräften angeboten, sie zu übernehmen, allerdings unter schlechten Bedingungen: Ihnen wurde befristete Halbjahresverträge angeboten. Zudem hätten sie auf vier Urlaubstage verzichten müssen und wären – trotz ihrer jahrelangen Erfahrung – wie Berufseinsteigerinnen bezahlt worden. Die Reinigungskräfte lehnten dieses Angebot ab. Der Pressesprecher des Regionalverbandes möchte sich nicht zu diesem Angebot äußern, betont aber, dass der Regionalverband darauf achte, dass sich die Firma im rechtlichen Rahmen bewege.
Beim Thema Lohn-Dumping verweist der Regionalverband auf die Selbstverpflichtung der Auftragnehmer. Zudem würde der Regionalverband unrealistische Angebote ausschließen.
Das Reinigungsteam fühlt sich tief verletzt: “Man schaut nicht auf unsere Gefühle. Oder darauf, dass es unter uns Omas gibt oder Frauen, die noch Kinder zu Hause haben. Man sagt einfach: “Die Firma verlangt weniger, nehmen wir also die.” Ihnen ist es egal, wer zum Putzen kommt. Sie schauen nicht auf das, was wir erreicht haben. Sie achten auch nicht darauf, dass wir es hier bis zur Rente schaffen. Da bist du 2-3 Jahre vor der Rente und plötzlich arbeitslos. Das tut sehr weh!”
Eine Kollegin ergänzt: “Wir dachten, wir würden irgendwann eine Feier zur Verabschiedung in die Rente bekommen, aber stattdessen werden wir eine Schlüsselübergabe haben”.
Auf das persönliche Schicksal der Reinigungskräfte angesprochen meint Regionalverbandssprecher Lars Weber: “Wir waren einfach gezwungen, diese Reinigungsarbeiten auszuschreiben. Daran kamen wir nicht vorbei. Das ist kein böser Wille.”
Auch der DFG-Schulleiter fragte beim Regionalverband an: “Da wird nicht berücksichtigt, ob man die Personen, die jetzt in einer Firma arbeiten, halten möchte oder nicht. Das war die klare Antwort”.
“Was ist denn das für ein vergiftetes Weihnachtsgeschenk, was da vom Regionalverband kommt?”
Ein Vertreter der Lehrerschaft ist entrüstet: “Wie wird Ihnen gedankt, dass Sie auch während der Corona-Zeit gereinigt haben, und somit den Schulbetrieb aufrecht erhalten haben? Sie werden quasi pünktlich zu Weihnachten gekündigt! Was ist denn das für ein vergiftetes Weihnachtsgeschenk, das da vom Regionalverband kommt? Das darf doch einfach nicht sein! In was für einer Welt leben wir denn? Wir reden seit zwei Jahren davon, dass wir alle miteinander solidarisch sein müssen, dass wir Rücksicht aufeinander nehmen müssen, und dann werfen wir diese Frauen raus, die dann zur Hälfte wahrscheinlich wirklich bis zur Rente, in der Arbeitslosigkeit verharren werden. Das ist doch grausam!”
“Bald werde ich zu Hause sein und all das vermissen. Vielleicht ist das der Ort, an dem ich weinen werde”.
“Es gibt viele Freundschaften. Es haben sich viele schöne Verbindungen entwickelt. Bald werde ich zu Hause sein und all das vermissen. Vielleicht ist das dann der Ort, an dem ich weinen werde, der Ort, an dem wir alle weinen werden”, sagt eine Reinigungskraft.
Das gesamte Interview mit dem Pressesprecher des Regionalverbands ist HIER nachzulesen.
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Triste, vraiment triste pour ces femmes si adorables et si gentilles.
Il faut mentionner qu elles faisaient leur travail avec passion et leurs yeux étaient comme des loupes qui voyaient la moindre saleté.
On vous regrettera et on mentionnera certainement pendant longtemps vos noms. En effet, vôtre travail impeccable nous manquera.
Malika Ritter
Ich bin entsetzt, dass ein sozialdemokratisch geführter Schulträger diesen hervorragenden Reinigungskräften den Arbeitsplatz nimmt. Sie hatten alle Qualifikationen, die es für eine deutsch-französische Schule brauchte: Zweisprachigkeit, Identifikation mit der Schule, überdurchschnittliches Engagement und dazu im Umgang mit den Schüler:innen auch noch pädagogisches Geschick. Als ehemaliger Schulleiter bedauere ich diese Entwicklung sehr und sende solidarische Grüße an Laurence Bernd und ihr Team. Was für ein trauriges Weihnachten! Hans Bächle
Merci pour cet article très bien renseigné et très juste !
C’est très décevant de constater que le Regionalverband accepte une pratique économique aussi détestable.
Bon courage à toute l’équipe et merci encore pour votre travail pendant toutes ces années !
Laurence Wollny